Wunderding Kolostrum

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Kolostrum ist die erste nahrhafte Milch die der Körper direkt nach der Geburt bildet. Sie soll das Neugeborene in den ersten Lebenstagen versorgen. Warum Kolostrum so gut ist und was es mit der menschlichen Entwicklung zu tun hat, erfährst du im folgenden Artikel. 

 

Kolostrum – was ist das?

Vorab möchte ich einige Fragen beantworten, die werdende und frisch gebackene Mamas immer wieder stellen. Was ist dieses Kolostrum eigentlich und wann hat die Mama Kolostrum?

 

Was ist Kolostrum?

Als Kolostrum bezeichnet wir die erste besonders nahrhafte Milch direkt nach der Geburt. Es sind nur einige wenige Tropfen die für die erste orale Nahrungsaufnahme und zur Überbrückung dienen, bis die Muttermilch einschießt.

 

Wie wird Kolostrum gebildet?

Durch die Hormonausschüttung während der Geburt kommt es zur Bildung des Kolostrums. Nach der Geburt der Plazenta merkt dein Körper, dass dein Baby nun anders versorgt werden muss. Er bildet daher diese Vormilch.

 

Wann kommt Kolostrum?

Kolostrum hast du direkt nach der Geburt zur Verfügung. Die nahrhafte Milch produziert dein Körper so lange für dein Baby, bis die Muttermilch einschießt. Das passiert normalerweise drei bis sechs Tage nach der Geburt.

 

Was ist in Kolostrum enthalten?

100ml Kolostrum enthalten 2,7g Eiweiß, 2,8g Fett, 6,5g Kohlenhydrate, 0,33g Mineralsalze und haben einen Brennwert von 65kcal. An Nährstoffen enthält das Kolostrum neben einem hohen Anteil an Proteinen auch Vitamin A, Natriumchlorid und im Vergleich zur späteren Muttermilch geringere Anteile an Kohlenhydraten, Lipiden und Kalium. Außerdem sind in Kolostrum Lymphozyten und Antikörper (IgA, IgG und IgM), Immunkomponenten (Laktoferrin, Lysozym, Lactoperoxidase, Komplement und PRP), Zytokine (Interleukine, Tumornekrosefaktor und Chemokine) und Wachstumsfaktoren enthalten.

 

Wie sieht Kolostrum aus? Wie schmeckt es?

Aufgrund des hohen Proteingehalts ist Kolostrum schleimiger und dickflüssiger als die später folgende Muttermilch. Es hat eine gelbliche Farbe und kann geringe Beimengungen von Blut enthalten.
Kolostrum schmeckt dicklich/fett und etwas salzig, was durch die hohe Konzentration an Mineralsalzen bedingt ist.

 

Habe ich genug Kolostrum?

Kolostrum wird in kleinen Mengen gebildet und ist – wie auch die reife Muttermilch – sehr leicht verdaulich. Deshalb trinken gestillte Babys eventuell öfter als Babys, die die Flasche bekommen. Mamas sind dadurch leicht verunsichert und denken, dass ihre Milch nicht ausreicht um das Baby zu sättigen. Das stimmt allerdings nicht. Erstens ist Kolostrum hoch kalorisch, weshalb kleine Mengen völlig ausreichen. Zweitens ist der Magen des Neugeborenen ungefähr murmelgroß – also noch sehr klein -, sodass gar keine größeren Mengen darin Platz haben. Häufiges Anlegen, viel Ruhe und Hautkontakt mit deinem Baby wirkt auf deinen Hormonhaushalt, sodass sich die Muttermilch optimal bilden kann.

 

Was ist die Kolostrummassage?

Die so genannte Kolostrummassage ist eine gute Vorbereitung auf das Stillen und regt zusätzlich die Milchbildung sowie den Milchspendereflex an. Welche zusätzlichen Vorteile sie hat und wie genau diese Massage funktioniert kannst du im Artikel How to: Brustmassage nachlesen.

 

 

Die Vorteile von Kolostrum

Wir wissen nun was Kolostrum ist und wofür wir es brauchen. Im folgenden Punkt gehe ich auf die Vorteile des Kolostrums ein. Ich habe diesen Punkt dazu in zwei Abschnitte geteilt.

 

… aus psychologischer Sicht

Wir wissen heute aufgrund langjähriger Erfahrung und auch einiger Studien, dass der Geburtsverlauf und das erste Bonding nach der Geburt einen entscheidenden Einfluss auf einen guten Beginn der Stillzeit haben. Wichtig dafür sind in erster Linie eine gute Begleitung und eine geschützte Atmosphäre, in der sich die Mama wohl und gut aufgehoben fühlt. Hier erwähne ich auch ganz explizit die kontinuierliche Geburtsbegleitung durch die Doula. Sie hat nachgewiesenermaßen einen positiven Einfluss auf die Stillbeziehung.

Ganz besonders heilig ist der erste Kontakt zwischen Mama und Baby nach der Geburt. Wenn das Baby direkt nach der Geburt auf den Bauch der Mama darf, haben beide Zeit sich ausführlich kennenzulernen und zu beschnuppern. Gerade auch bei Kaiserschnitt-Geburten und Geburten mit Komplikationen, im Rahmen derer das Baby medizinisch erst- oder sogar intensivversorgt werden muss, sollten wir auf einen engen Kontakt mit der Mutter nicht vergessen. Ist der Hautkontakt mit der Mutter schon bei ganz natürlichen Spontangeburten wichtig, umso essentieller wird er, wenn es zu Problemen kommt.

Gesunde Babys sind in den ersten Stunden nach der Geburt sehr aktiv und munter. Genauso wie die Mutter haben sie durch die Geburt einen Adrenalin- und Oxytozin-Schub bekommen. Daher können sie nun diese erste Zeit ganz intensiv nutzen, um die Mama kennenzulernen und sich in der neuen Umwelt zu akklimatisieren. Durch diese Wachheit ist es normalerweise nicht notwendig, dass das Neugeborene durch Hebamme, Arzt oder Kinderschwester „an die Brust gelegt“ wird. Es reicht, wenn das Baby auf Mamas Bauch liegen darf. Babys suchen und finden dann intensiv ihre Nahrungsquelle – die mütterliche Brust. Sie bewegen sich ganz gezielt darauf zu, wenn man sie lässt. Mit Hilfe der angeborenen Reflexe saugt das Neugeborene optimal an und trinkt die ersten Tropfen Kolostrum.

 

… aus physiologischer Sicht

Der Verdauungstrakt des Babys ist noch unausgereift. Speziell das Kolostrum liefert seine Nährstoffe in konzentrierter, aber kleinvolumiger Form. So werden sie optimal vom Körper des Babys aufgenommen. Das Verdauungssystem des Babys braucht etwa sechs Monate bis es soweit ausgereift ist. Dann erst kann feste Nahrung aufgenommen und zersetzt werden.

Weiters wirkt Kolostrum leicht abführend, was die Ausscheidung des Kindspech (Mekonium) anregt und erleichtert. Die dritte große Aufgabe des Kolostrums ist die Verhinderung eines Bilirubin-Überschusses im Darm (Baby-Gelbsucht). Dieser wird durch einen möglichen Blutverlust bei der Geburt (z. B. durch zu frühes Abnabeln) verursacht.

 

 

Kolostrum in der Menschheitsgeschichte

In diesem dritten Abschnitt möchte ich auf ein Kapitel in dem Buch „Geburt und Stillen“ von Michel Odent näher eingehen. Es beschäftigt sich mit der Wichtigkeit von Kolostrum und der Sicht auf diese Vormilch im Laufe der Menschheitsgeschichte. Es hat mir persönlich ein paar sehr besondere Aha-Erlebnisse beschert, die ich hier mit dir teilen möchte.

 

Umgang mit Kolostrum in der Vergangenheit

Nach Odents Forschungen reicht der sehr rigorose Umgang mit Kolostrum bis in biblische Zeiten zurück. Kolostrum wurde immer schon als Teil des Bösen oder als höchst schädliche Substanz angesehen und wenn möglich weg geschüttet. Mutter und Baby wurden in den ersten Stunden bis Tagen getrennt, um ein Stillen unmöglich zu machen. Stattdessen bekamen die Neugeborenen je nach Kultur und Kontinent verschiedene Zuckerwasser, Nektare, Honig oder Mehlsuppen als erste Nahrung verabreicht. Diese Erkenntnisse veranlassten Odent sowie einige Anthropologen zur Suche nach Begründungen. Für diese totale und beinahe schon universelle Ablehnung über weite Teile der Erdbevölkerung hinweg musste es schließlich triftige Gründe geben.

Die Antwort, die Odent gefunden hat, wirkt irgendwie verstörend. Seinem Ansatz nach sind die einzigen Menschengruppen, die sich evolutionstechnisch langfristig durchsetzen konnten jene, die die effektivste Zerstörung des Lebens kultivierten. Es waren die Kulturen und Völker, die die besten Mittel zu Verfügung hatten dieses Ziel auch zu erreichen. Und was ist nun der wirksamste Weg, den Menschen zu einem so genannten „Superraubtier“ zu machen? Richtig – die Störung der Beziehung zwischen Mutter und Neugeborenen. Die Beziehung lässt sich durch die einfache Maßnahme, nämlich das Kolostrum zu verteufeln und Aufnahme des selben zu verhindern, sehr leicht schwächen und stellt somit in Bezug auf die Auslese einen klaren Vorteil da.

Dieses Verhalten stellte sich in der Vergangenheit als sinnvoll heraus. In der Zeit des 2. Weltkriegs wurde dieses Gedankengut ebenfalls aufgegriffen, um einen furchtlosen und gefügigen Arier zu erzeugen. Doch wie steht es damit in der Gegenwart? Sind sie in unserem Zeitalter nicht veraltet und sogar verheerend?

 

Umgang mit Kolostrum in der Gegenwart

Heute führen uns kulturvergleichende Studien zu dem Ergebnis, dass die frühe Mutter-Kind-Beziehung bezeichnend für die Beziehung der Menschen zu Mutter Erde ist. Auch in der Vergangenheit hab es einige gänzlich abgeschiedene Völker, die jedoch ortsunabhängig zwei Gemeinsamkeiten hatten. Ihren tief verwurzelten Sinn für Ökologie und ihr respektvoller Umgang mit der Natur sowie die ungestörte Mutter-Kind-Beziehung, sodass die Neugeborenen uneingeschränkt das Kolostrum aufnehmen konnten.

Heutzutage brauchen wir diese Grausamkeiten gegenüber unseren Neugeborenen nicht mehr. Wir sind an der Spitze der Evolution unverdrängbar angekommen. Lässt man einer Mutter in Privacy gebären und in den ersten Stunden danach ihr Kind kennenlernen, wird sie normalerweise nie auf den Gedanken kommen, ihr Kind in Eiswasser zu tauchen, zu beräuchern, einen Buben zu beschneiden, einem Mädchen die Ohren durchzustechen oder eben ihrem Kind das Kolostrum zu verweigern.

Glücklicherweise sind wir in einer Zeit angekommen, in der wir uns mehr Gedanken über die ökologischen Zusammenhänge machen können. Es ist eine Zeit der Rückbesinnung auf Mutter Erde. Odent nennt diese Zeit die Kolostral-Revolution, in der wir unsere Wurzeln und unsere Vergangenheit überwinden und unseren Neugeborenen nicht mehr mit Grausamkeit, sondern mit Liebe begegnen. Genauso übrigens wie unsere nächsten Verwandten, die Primaten.

 

Die Wichtigkeit von Kolostrum

Das bringt uns schlussendlich zu den Gründen, warum Kolostrum so positiv für unsere Entwicklung ist. Odent nennt hier in erster Linie die Antikörper IgA zur Immunabwehr, Laktoferrin als Anti-Infektions-Waffe sowie langkettige ungesättigte Fettsäuren für die Gehirnentwicklung. Ein Neugeborenes kommt sozusagen steril mit der Geburt in eine Welt der Mikroben. Ein gestilltes Baby hat innerhalb weniger Stunden eine völlig andere Darmbesiedelung als ein mit Formula-Nahrung gefüttertes Baby. Von dieser Erstbesiedelung hängt aber die Zukunft der Darmflora ab.

Odent rief aufgrund bisher fehlender Untersuchungen das Forschungszentrum für Primärgesundheit ins Leben. Hier werden nun endlich alle Fragestellungen untersucht, denen bisher niemand Beachtung schenkte. Hat Kolostrum Langzeiteffekte auf die Gesundheit des Menschen? Ist die Lebenserwartung höher? Wie verhalten sich Darmerkrankungen bei Menschen, die Kolostrum aufgenommen haben?